Boxhagen beginnt
Die historische Entwicklung des Grundstücks
Boxhagener Straße 79 bis 82 von 1771 bis heute
Boxhagen im 12. Jahrhundert
Erstmals erwähnt wird Boxhagen im 12. Jahrhundert als Teil eines Ritterguts. Bis ins 18. Jahrhundert besteht Boxhagen nur aus Feldern
und Weideland und einem dazugehörigen Vierseitenhof (er lag einst zwischen der
heutigen Knorrpromenade und dem Wismarplatz)- später Gut Boxhagen. Nördlich der Ländereien des Vorwerks am Boxhagener
Landweg (heute Boxhagener Straße) liegen damals einige schwer nutzbare und unbewirtschaftete
Sandschollen. Dort lässt Friedrich der Große, König von Preußen, im Juli 1771
acht böhmische Familien ansiedeln.
Die Kolonie Boxhagen entsteht entlang der gleichnamigen Straße zwischen den heutigen Hausnummern 68 und 89. Die Kolonisten pflanzen Blumen, Obst und Gemüse an und betreiben Milchwirtschaft. Sie verkaufen ihre Erzeugnisse auf den Berliner Märkten. Bei den Kunden sind etwa Kirschen aus Boxhagen zu dieser Zeit sehr beliebt.
Anfang des 19. Jahrhunderts errichtet der aufstrebende Gutsbezirk Boxhagen-Rummelsburg auf einem Teil der Kolonisten-Grundstücke eine Schule und einen Friedhof: Dort finden bis Anfang des 20. Jahrhunderts Bestattungen statt. Der Friedhof wird in den 1960er-Jahren überbaut. Im Rahmen der heutigen Baustelle werden 2014 alte Gräber entdeckt. Die gefundenen sterblichen Überreste werden auf den Georgen-Parochial-Friedhof II umgebettet.

Ansicht des Bahnhofs Stralau-Rummelsburg um 1915 (seit 1933 Bahnhof Ostkreuz) mit der Nordkurve
von der Simplonstraße aus gesehen. Der 1882 eröffnete Bahnknotenpunkt war ein maßgeblicher
Standortvorteil und hat zum Aufblühen Boxhagens zum Industrie- und Wohnstandort Anfang
des 20. Jahrhunderts beigetragen.
Quelle: Sammlung Sven Heinemann.
Der im Jahr 1882 eröffnete Bahnknoten Stralau-Rummelsburg (heute Ostkreuz) macht die Grundstücke der ehemaligen Kolonie Boxhagen für Industriebetriebe attraktiv. Im Jahr 1892 wird ein erster Fabrikbau auf dem Grundstück Nummer 10 (heute Boxhagener Straße 73) errichtet. 1895 verlegt der aufstrebende jüdische Unternehmer Siegfried Hirschmann seine Firma für Kabel- und Gummiprodukte nach Boxhagen. Es entsteht ein Industriekomplex mit circa 5.000 Quadratmeter Nutzfläche, der bald schon als Deutsche Kabelwerke firmiert.

Eingangstor zum 1811 eröffneten Friedhof Boxhagen-Rummelsburg an der Boxhagener Straße (1934). Der Friedhof bleibt bis
in die 1960er-Jahre bestehen, während sich die anderen Grundstücksteile über die Jahrzehnte dramatisch wandeln.
Quelle: Landesarchiv Berlin.
Um 1900 setzt auch der Wohnungsbau in Boxhagen massiv ein.
Es entsteht in den kommenden Jahren ein großer Vorort mit rund
60.000 Einwohnern vor den Toren Berlins.
Erst 1904 siedelt sich einen Straßenblock
weiter östlich der den Deutschen Kabelwerke in der Neuen Bahnhofstraße der Industrielle
Georg Knorr an und beginnt mit der Produktion von Bremsen.
Die Knorr-Bremse entwickelt sich im Lauf der Zeit zum mit
Abstand größten Industriekomplex und Arbeitgeber
Boxhagens.

Erstes Fabrik- und Verwaltungsgebäude der Knorr-Bremse AG in der Neuen Bahnhofstraße. Die Firma
siedelt sich 1904 – also rund ein Jahrzehnt nach den Deutschen Kabelwerken – in Boxhagen an.
Das Unternehmen entwickelt sich in den 1920er-Jahren zum größten Arbeitgeber Boxhagens und ist
bis heute Weltmarktführer für Bremssysteme für Schienen- und Nutzfahrzeuge.
Quelle: Knorr-Bremse AG.
Siegfried Hirschmann schafft mit den Deutschen Kabelwerken den zweitgrößten Arbeitgeber Boxhagens und einen der größten Kabelhersteller im Deutschen Reich. Zudem ist er ein erfolgreicher Automobilpionier. In Boxhagen entsteht mit Deka Reifen einer der größten und ältesten Reifenhersteller Deutschlands. Und die Cyklonette entwickelt sich von Boxhagen aus zum ersten Volksauto. Auch der Erste Weltkrieg kann diese Entwicklung nicht stoppen.
Erst mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten endet diese erfolgreiche Familien- und Unternehmensgeschichte: Siegfried Hirschmann und seine Familie werden aus der Firma gedrängt, drei seiner Schwestern im KZ umgebracht. Die Deutschen Kabelwerke werden zum kriegswichtigen Betrieb erklärt, dafür werden auch Zwangsarbeiter eingesetzt. In Folge des Zweiten Weltkriegs werden die Produktionsanlagen schwer beschädigt. Nach der Deutschen Teilung entstehen aus den Deutschen Kabelwerken schließlich zwei Volkseigene Betriebe zur Produktion von Gummiteilen und Autoreifen. Aus Deka Reifen wird Pneumant - der größte Reifenhersteller der DDR. Neben der Gummiproduktion werden auf dem Gelände auch zahlreiche kleinere Betriebe angesiedelt, unter anderem auch eine Mühle.
Nach der politischen Wende 1990 erwirbt
schließlich die Firma Freudenberg den Industriekomplex in der Boxhagener Straße und fertigt dort Zubehörteile für die Automobilproduktion bis 2011. Danach wird die Produktion mangels Erweiterungsmöglichkeiten nach Adlershof verlagert und die Bauwert AG erwirbt das Gelände zur Errichtung von Wohnungen:
Auf dem ehemaligen Industrieareal entsteht jetzt ein neues Stadtquartier – derzeit Berlins
größte Wohnungsneubauprojekt. Auf dem über 26.000 Quadratmeter großen innerstädtischen
Grundstück entwickelt die Bauwert rund 620 Wohnungen sowie einige Büro- und Ladenflächen.
Das Besondere:
Erstmals werden hier in Zusammenarbeit mit der landeseigenen HOWOGE Wohnungsbaugesellschaft 122 preisgünstige
Wohnungen sowie eine Kindertagesstätte für etwa 90 - 100 Kinder erstellt. Hinzu kommt
die Erichtung von Nahversorgungsläden, einigen Büro- und Praxisflächen sowie die
Schaffung eines knapp 6.000 Quadratmeter großen öffentlichen Parks für die Allgemeinheit.
Er wird nach Siegfried Hirschmann benannt.

Gutshaus Boxhagen mit Park um 1900. An diesem Standort stand davor über mehrere Jahrhunderte
das Vorwerk Boxhagen, das dem Kiez seinen Namen gegeben hat. Es war über Jahrhunderte hinweg
die einzige Besiedlung im weiteren Umkreis, umgeben von Äckern, Wiesen und Weideland.
Quelle: Archiv Dr. Georg von Wühlisch